Geplante Kürzungen im Sozialhaushalt führen schon jetzt zu weniger Bildungsangeboten für Arbeitslose, die Bürgergeld beziehen

Die Zahl der Arbeitslosen, die Bürgergeld beziehen, ist seit 2019 stark gestiegen. Im März 2023 gab es im SGB II (Bürgergeld) in Hessen 23,9 Prozent mehr arbeitslose Frauen und 12,3 Prozent mehr arbeitslose Männer als im März 2019.

Gleichzeitig ist jedoch die Zahl der Arbeitslosen, die von den Jobcentern in Bildungsangebote vermittelt wurden, deutlich gesunken. Im Dezember 2022 wurden in Hessen insgesamt nur 22.000 Personen in Qualifizierungsmaßnahmen des SGB II gefördert. Das sind 23,4 % weniger als im Dezember 2019. Diese Entwicklungen stellen kein Hessen-Spezifikum dar, sondern sind bundesweit zu beobachten. Ausführliche Informationen zur Arbeitsmarktentwicklung in Hessen und zur Förderung sozialbenachteiligter Zielgruppen finden Sie im Arbeitsmarkt-Report Hessen, 2. Quartal 2023.

Vor dem Hintergrund des Fach- und Arbeitskräftemangels ist die gesunkene Vermittlung in Qualifikationsmaßnahmen in den letzten drei Jahren bereits eine besorgniserregende Entwicklung in die falsche Richtung. Denn der Qualifikationsbedarf von Menschen im SGB II steigt. Das Risikoprofil der Arbeitslosen im SGB II hat sich in qualifikationsspezifischer Hinsicht in den letzten Jahren verschlechtert. Etwa vier von zehn Betroffenen haben keinen Schulabschluss, rund drei Viertel verfügen nicht über eine abgeschlossene (oder anerkannte) Berufsausbildung. 

Die gesunkene Vermittlung in Qualifikationsangebote ist für die vielen von Bildungsarmut betroffenen Menschen fatal und vor dem Hintergrund des Fach- und Arbeitskräftemangels absurd

Die Bundesregierung sieht nun im geplanten Haushalt Kürzungen des Eingliederungstitels im SGB II von 500 Millionen Euro vor, also derjenigen Finanzmittel die für die Qualifikation von Arbeitslosen im Bürgergeld vorgesehen sind. Darüber hinaus hat sie einen Zuständigkeitswechsel bei den unter 25-Jährigen arbeitslosen Bürgergeldbezieher*innen hin zur Bundesagentur für Arbeit angekündigt. Auf Grund der langfristigen Planungszeiträume erhalten in der Folge viele gemeinnützige Bildungsträger in Hessen bereits jetzt Signale der Jobcenter, dass Qualifikationsmaßnahmen für Benachteiligte möglicherweise nicht weiterfinanziert werden können.

Die LAG Arbeit in Hessen fordert die Bundesregierung auf, nicht weniger sondern mehr Bildungsangebote für benachteiligte Zielgruppen zu schaffen und diese auskömmlich zu finanzieren

In der Mehrzahl haben die Menschen, die wir für den Arbeitsmarkt qualifizieren, mittlerweile einen Migrationshintergrund. Mit Blick auf den Arbeitsmarkt aber auch auf das Erstarken ausländerfeindlicher Kräfte erscheint es uns absurd, diese Bildungsprojekte, die ganz wesentlich zur erfolgreichen Integration beitragen, einzustellen.

Sozialpolitische Gespräche der LAG Arbeit in Hessen

Der Vorstand der LAG Arbeit in Hessen hat vor diesem Hintergrund in den letzten Wochen mit Sozialpolitiker*innen des Bundes- und Landtages Gespräche geführt. In allen Gesprächen wurden folgende Themen angesprochen:

  • Massiv gesunkene Vermittlung in Fördermaßnahmen des SGB II seit 2019.
  • Verschlechterung dieser Situation durch Ankündigung der Kürzung des Eingliederungstitels im Bundeshaushalts um 500 Millionen EUR.
  • Negative Folgen der geplanten Verlagerung der Betreuung von unter 25-Jährigen SGB II-Bezieher*innen aus der Zuständigkeit der Jobcenter hin zur Arbeitsagentur.

Gespräche mit Mitgliedern des Bundestages

  • Dr. Strengmann-Kuhn, MdB, Grüne, Mitglied im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales am 13.07.2023
  • Kaweh Mansoori, MdB, SPD, Mitglied im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales am 15.08.2023
  • Dagmar Schmidt, MdB, SPD, stellvertretende Vorsitzende der SPD Bundestagsfraktion und Mitglied im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales am 23.08.2023.

Gespräche mit Mitgliedern des Landtages

Weiterführende Links

Jobcenter fördern immer weniger Langzeitarbeitslose – FOCUS online

Bundesländer kritisieren Heils Pläne zu Jobcentern | tagesschau.de

Arbeitsvermittlung: DGB warnt vor Kürzungen im Bundeshaushalt bei Jobcentern | ZEIT ONLINE

Prof. Dr. Stefan Sell: Beim Jobcenter raus, bei der Arbeitsagentur rein? Taschenspielertricks im haushaltspolitischen Verschiebebahnhof. Auf Kosten junger Menschen und mit einer absurden Verkomplizierung komplizierter Strukturen – Aktuelle Sozialpolitik (aktuelle-sozialpolitik.de)

Unsere Positionen

LAG-Vortrag: Gesunkene Förderung im SGB II und geplante Kürzungen im Bundeshaushalt

Sozialpolitische Forderungen der LAG Arbeit zur Landtagswahl in Hessen