Arbeitsmarkt-Bericht Hessen zu Folgen der Corona-Pandemie: Trotz gestiegener Langzeitarbeitslosigkeit – Vermittlung in Fördermaßnahmen des SGB II immer noch geringer als vor der Pandemie

Im Auftrag der LAG Arbeit in Hessen fasst das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) im vorliegenden Bericht Ein datengestützter Blick auf die Entwicklung aktiver arbeitsmarktpolitischer Instrumente zunächst im ersten Teil Daten der Bundesagentur für Arbeit zur Beschäftigung und zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit im SGB III und SGB II seit Beginn der Corona-Pandemie in Hessen zusammen. Vor dem Hintergrund der hessischen Arbeitsmarktsituation wirft der Bericht im zweiten Teil einen Blick auf die Zahlen zur Vermittlung in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen in den verschiedenen Rechtskreisen.

Hier (Link zum PDF-Dokument) finden Sie den ausführlichen Bericht der Autoren Stefan Feldens und Dr. Philipp Fuchs, beide ISG, mit Tabellen und Abbildungen. Im Folgenden präsentieren wir einige Ergebnisse.

Die Zahl der Arbeitslosen im SGB II in Hessen ist nach wie vor deutlich höher als vor der Pandemie

Während der Arbeitslosenbestand im SGB III seit 2021 in Hessen recht stark zurückgeht (und 2022 aller Voraussicht nach wieder unterhalb des Niveaus von 2019 liegen wird), verharrt die Zahl der Arbeitslosen im SGB II weiterhin auf einem deutlich höheren Niveau als 2019.

Die Zahl der Langzeitarbeitslosen hat sich zwischen 2019 und 2021 stark erhöht (+40,3 %). Zwar deutet sich für das Jahr 2022 eine leichte Entspannung an, die Zahl liegt aber weiterhin deutlich über dem Vorkrisenniveau. Zum Stand Oktober 2022 war ferner über die Hälfte länger als 24 Monate arbeitslos.

Zuweisungen in arbeitsmarktpolitische Fördermaßnahmen zu Beginn der Corona Krise stark gesunken – Förderzahlen haben sich bislang nicht erholt

Krisenereignisse sowie Phasen mit schwacher Konjunktur und höherer Arbeitslosigkeit sollten für gewöhnlich mit einer (leichten) Zunahme an geförderten Menschen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen einhergehen, da der Bedarf an Heranführung, Qualifizierung und Vermittlung tendenziell größer ausfällt als in Phasen wirtschaftlicher Prosperität. So stellte es sich z. B. während der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 und 2009 dar. Wie die Daten der Förderstatistik der Bundesagentur für Arbeit zeigen, gelten diese Zusammenhänge jedoch nicht für die Corona-Pandemie. Infolge der Umsetzung von Eindämmungs- und Infektionsschutzmaßnahmen wurden die Aktivitäten seitens der Arbeitsagenturen und Jobcenter zeitweise reduziert und die Durchführung von Fördermaßnahmen zwischenzeitlich unterbrochen. Dies hatte zur Folge, dass die Bestände und Neuzuweisungen von Menschen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen insbesondere zu Beginn der Pandemie eingebrochen sind. Das Niveau einschlägiger Aktivitäten hat sich bisher nicht erholt und liegt weiterhin unter dem Vorkrisenniveau- und das obwohl die Arbeitslosigkeit gerade im SGB-II-Bereich nach wie vor hoch ausfällt.

Rechtskreisübergreifend hat sich der Bestand im Jahr 2021 gegenüber 2019 um -10,1 % reduziert. Im SGB-II-Bereich ging der Bestand um -8,2 % zurück, im SGB-III-Rechtskreis lässt sich ein etwas höherer Rückgang in Höhe von -11,8 % beobachten.

Im Bericht wird auf Basis von weiteren Tabellen und Abbildungen ausführlicher auf die Thematik eingegangen.

Aktivierungsquote im SGB II ist im September 2022 immer noch deutlich niedriger als vor der Pandemie

Die Aktivierungsquote ist ein weiterer Indikator, der in diesem Zusammenhang aufschlussreich ist. Sie zeigt an, wie hoch der Anteil der geförderten (bzw. tatsächlich „aktivierten“) Personen an den potenziellen (bzw. theoretisch „aktivierbaren“) Maßnahmenteilnehmenden ausfällt. Anhand der obigen Abbildung kann die monatliche Entwicklung der Aktivierungsquote zwischen Anfang 2019 und September 2022 nachvollzogen werden. Zwischen den beiden Rechtskreisen besteht eine ausgeprägte Divergenz: Während sich die Quote im SGB III deutlich vom Corona-Tief erholt hat, ist es im SGB II nicht zu einer Trendwende gekommen. Lag die auf den SGB-II-Bereich bezogene Quote im September 2019 noch bei 21,4 %, so bezifferte sie sich im September 2022 nur noch auf 13,2 %. Kurzum: Das Ausmaß an Förderung ist im SGB-II-Rechtskreis seit der Corona-Pandemie erheblich gesunken.

Fazit: Seit 2020 trifft eine gestiegene (Langzeit-)Arbeitslosigkeit auf eine zurückgehende Förderaktivität

Seit 2020 trifft eine gestiegene (Langzeit-)Arbeitslosigkeit auf eine zurückgehende Förderaktivität. Obwohl nach wie vor mehr (Langzeit-)Arbeitslose und eine höhere Arbeitslosenquote als vor der Corona-Pandemie zu verzeichnen sind, hat die Förderaktivität bei Weitem noch nicht das Vorkrisenniveau erreicht. Die aktuellsten Daten zu Beständen und Zugängen implizieren in der Tendenz sogar weitere Rückgänge. Die in diesem Report herausgestellten Entwicklungen stellen dabei kein Hessen-Spezifikum dar, sondern sind bundesweit zu beobachten.

Angesichts der gestiegenen Arbeitslosigkeit sowie der zumeist komplizierten und ggf. verschärften Ausgangs- und Problemlagen vieler von (Langzeit-)Arbeitslosigkeit betroffener Menschen sind etwaige Brüche in der Betreuung, Vermittlung und Förderung insbesondere im SGB-II-Rechtskreis kritisch zu sehen.

Zu hinterfragen ist dabei vor allem die bisher ausbleibende Trendwende bei den Förderaktivitäten der hier im Fokus stehenden Personengruppen. Der hierfür wesentliche Grund liegt höchstwahrscheinlich bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern. Die Wiederherstellung der für die Arbeitsmarktförderung notwendigen administrativ-organisatorischen Abläufe und Kapazitäten ist den hauptzuständigen Stellen offenbar noch nicht hinreichend gelungen. Vor dem Hintergrund der weiterhin bestehenden und womöglich sogar gewachsenen Bedarfe bei (Langzeit-)Arbeitslosen sowie der Gefahr einer sich weiter verfestigenden Arbeitslosigkeit ist eine möglichst schnelle Entwicklung von funktionsfähigen und zielgenauen Förderabläufen im Rahmen des neuen Bürgergeldes geboten.

Der Bericht wurde wissenschaftlich unabhängig vom ISG erbracht. Er ist die erste Ausgabe der neuen Berichtsreihe „Arbeitsmarkt in Hessen“, die das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) ab November 2022 in Zusammenarbeit mit der LAG Arbeit in Hessen e.V. veröffentlicht.