Ohne Abschluss keine Chance. Höhere Kompetenzen zahlen sich für gering qualifizierte Männer kaum aus

– so der aussagekräftige Titel einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), in der Jan Paul Heisig und Heike Solga  u.a. untersuchen, welche Rolle Kompetenzen für die Arbeitsmarkterfolg von gering Qualifzierten spielen. Dabei stützen sie sich sich auf ein OECD-Studienprogramm, das langfristig international vergleichend die Kompetenzen von Erwachsenen misst.

Aufgefallen ist dem WZB-Forschungsteam vor allem die Gruppe der guten Rechner unter den Geringqualifizierten: Immerhin 17 Prozent erreichen Kompetenzstufe 3 und haben damit ein ausgeprägtes Zahlenverständnis und räumliches Vorstellungsvermögen, sie können etwa Daten und Statistiken in Texten, Tabellen und Grafiken interpretieren und analysieren. Das reiche gemeinhin, um anspruchsvollere Tätigkeiten auszuüben, schreiben Solga und Heisig.  Gleichwohl zahlten sich ihre guten mathematischen Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt kaum aus, heißt es. Denn das Risiko der mathematisch Kompetenten, arbeitslos zu sein, liege mit 30 Prozent ebenso hoch wie bei den anderen Gruppen. International seien Deutschland und auch die USA damit Sonderfälle. In allen anderen 22 Ländern, die an PIAAC teilgenommen haben, hätten Männer mit niedriger Qualifikation, aber besseren alltagsmathematischen Fähigkeiten, mehr Erfolg auf dem Arbeitsmarkt.

Der SPIEGEL fasst in dem Artikel Abschluss schlägt Können zusammen: „Eine Stelle findet leichter, wer einen formalen Abschluss vorweisen kann. Wie viel jemand tatsächlich kann, spielt dagegen oftmals eine überrraschend geringe Rolle.“

Die WZB-Studie zieht für die Weiterbildungspraxis zwei Schlussfolgerungen:  »Offensichtlich reicht es nicht, nur die allgemeinen Kompetenzen gering Qualifizierter zu erhöhen. Entscheidend ist, dass dies in Verbindung mit beruflichen Nachqualifizierungen (und dem Erwerb entsprechender Zertifikate) geschieht. Zugleich ist es sinnvoll, nicht ausschließlich auf den Erwerb beruflicher Abschlüsse zu achten, da deren Nutzen offenbar begrenzt ist, wenn die Grundkompetenzen sehr gering sind. Die Bekämpfung allgemeiner Kompetenzdefizite muss daher ebenfalls ein wichtiges Ziel von Weiterbildungsangeboten und -aktivitäten sein.«

An diesem Punkt legt Prof. Stefan Sell in seinem Blog Die faktische Kraft des Formalen auf dem Arbeitsmarkt und die notwendigen arbeitsmarktpolitischen Konsequenzen den Finger in die Wunde und verweist auf die gravierenden Defizite der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland. Angesichts von einer Million Menschen im Alter zwischen 20 und 30 Jahre ohne formalen Berufsabschluss fordert er eine volks- und gesellschaftspolitisch sinnvolle „Investitionsoffensive in das Humanvermögen“ und bedarfsgerechte Qualifizierungskonzepte.

Wie abschlussbezogene Qualifzierung von Menschen mit negativer Schul- und Lernerfahrung durch die Verbindung von Arbeiten und Lernen und Methoden der Lernprozessbegleitung gelingen kann, haben viele hessische Träger in der Vergangenheit unter Beweis gestellt. Leider könnes es nur noch wenige aufgrund der aktuellen Förderpolitik zur Zeit tun.