Arbeitsmarkt-Report Hessen, Ausgabe 3. Quartal 2024 –Arbeitsmarktentwicklung bei Frauen und Männern in Hessen (AH Q3/2024).
Die Autoren Stefan Feldens und Philipp Fuchs vom Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) geben im vorliegenden Bericht zunächst einen Überblick über die allgemeine Entwicklung des Arbeitsmarktes in Hessen (Kapitel 1). Der besondere Schwerpunkt dieser Ausgabe liegt auf der Arbeitsmarktentwicklung bei Frauen und Männern in Hessen (Kapitel 2). Der Report schließt mit einer Zusammenfassung der Autoren (Kapitel 3). Der Report wird im Auftrag der LAG Arbeit in Hessen verfasst. Hier finden Sie den ausführlichen Report als PDF-Dokument.
27,5 % mehr Arbeitslose in Hessen als 2018/2019
Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Hessen ist auch im vergangenen Jahr gewachsen. Die erfreuliche Entwicklung nach der Corona-Krise hat sich aber mittlerweile abgeschwächt. Im Dezember 2023 gingen in Hessen knapp 2,76 Mio. Menschen einer sv-pflichtigen Beschäftigung nach. Gegenüber Dezember 2019 ist ein Anstieg in Höhe von +3,6 % zu beobachten, verglichen mit dem Vorjahresmonat beläuft sich der Zuwachs auf +0,8 %.
(AH Q3/2024, S.1)
Gleichzeit ist die Zahl der Arbeitslosen in Hessen stark angestiegen. Nachdem die Arbeitslosigkeit im Zuge der Pandemie 2020/2021 zeitweise merklich zunahm, entspannte sich die Lage bis zum Sommer 2022 wieder zusehends. Jedoch kam es daraufhin wieder zu einem ausgeprägten Anstieg der Arbeitslosigkeit, der durch die kriegsbedingte Zuflucht von Menschen aus der Ukraine sowie die Energiepreis- und Strukturkrise bedingt ist. Im gleitenden Jahresdurchschnitt zwischen September 2023 und August 2024 betrug der Arbeitslosenbestand in Hessen etwa 191.100 Menschen. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum erhöhte er sich um +8,2 % (bzw. +14.500 Menschen), gegenüber 2018/2019 stieg er um +27,5 % (bzw. +41.200 Personen).
Im SGB II (Bürgergeld) ist die Arbeitslosigkeit deutlich stärker angestiegen als im SGB III (Arbeitslosenversicherung). Im gleitenden Jahresdurchschnitt zwischen September 2023 und August 2024 wurden im SGB II rund 129.800 Arbeitslose registriert. Gegenüber 2018/2019 nahm die Zahl um +33,7 % (bzw. +32.700) zu, im Vergleich zum Vorjahr stieg sie um +6,0 % (bzw. +7.300). 67,9 % aller Arbeitslosen entfielen im gleitenden Jahresdurchschnitt 2023/2024 auf das SGB II.
(AH Q3/2024, S.2)
Zahl der arbeitslosen Frauen ist in Folge der Zuwanderung im Jahr 2022 deutlich stärker angestiegen als die Zahl der arbeitslosen Männer
Im Juli 2024 wurden in Hessen rund 92.000 Frauen und etwa 105.000 Männer als arbeitslos registriert (Frauenanteil: 46,5 %). Zwischen Juli 2019 und Juli 2024 nahm der Arbeitslosenbestand bei Frauen um +31,8 % und bei Männern um +26,0 % zu. Die kriegsbedingte Zuflucht ukrainischer Menschen (und ihrer Familien) schlägt sich in der Arbeitslosenstatistik seit dem Sommer 2022 im SGB-II-Rechtskreis nieder und macht sich dort wiederum durch eine starke Zunahme arbeitsloser Frauen ohne deutsche Staatsangehörigkeit bemerkbar. AH Q3/2024, S.9f)
Über 70 % der Arbeitslosen im SGB II-Bereich verfügen nicht über eine abgeschlossene (oder anerkannte) Berufsausbildung
Das Risikoprofil der (Langzeit-)Arbeitslosen im SGB-II-Rechtskreis hat sich in qualifikatorischer Hinsicht im Laufe der letzten fünf bis zehn Jahre eher verschlechtert. Etwa vier von zehn Betroffenen haben zurzeit keinen Schulabschluss (42,3 %). Vor dem Hintergrund des stark formalisierten und segmentierten deutschen Arbeitsmarktes implizieren die hohen Anteilswerte, dass die Integration in das Beschäftigungssystem bei SGB-II-Arbeitslosen substanzielle Qualifizierungsanstrengungen voraussetzt. Absorbierte der Arbeitsmarkt in der Vergangenheit weniger qualifizierte Menschen noch relativ erfolgreich, ist dies in der Zukunft keineswegs sichergestellt, zumal sich die Wirtschaft inmitten substanzieller Umwälzungen befindet und sich ein Großteil der offenen Stellen an qualifizierte und spezialisierte Fachkräfte richtet. Gruppenspezifisch ist vor allem die Arbeitsmarktintegration ausländischer Frauen eine sehr große Herausforderung. Sie haben nicht nur wegen qualifikatorischen und sprachlichen Vermittlungshemmnissen, sondern auch aufgrund von familiären Verpflichtungen und Care-Arbeit eine vergleichsweise schwere Ausgangslage.
(AH Q3/2024, S.3 und 17)
Trotz stark angestiegener Arbeitslosigkeit – Förderung in Bildungsmaßnahmen des SGB II weiterhin niedriger als vor Corona-Pandemie
Obwohl spürbar mehr Arbeitslose im SGB-II-Rechtskreis, mehr Langzeitarbeitslose und eine höhere Arbeitslosenquote als vor der Corona-Pandemie zu verzeichnen sind, liegen die Förderaktivitäten von Arbeitslosen im SGB-II-Rechtskreis nach wie vor unterhalb des Vorkrisenniveaus. Aus den bis April 2024 vorliegenden Bestands- und Neuzuweisungsdaten ergeben sich zudem keine Anzeichen für eine Trendumkehr. Menschen aus der Ukraine und andere jüngst zugewanderte Menschen werden bisher offenbar noch nicht in nennenswertem Ausmaß im SGB-II-Kontext gefördert. (AH Q3/2024, S.14ff)
LAG Arbeit in Hessen fordert mehr Bildungs- und Qualifikationsangebote für Frauen, die Bürgergeld beziehen
Die Bundes- und Landespolitik muss die Qualifizierung von Bürgergeld-Bezieher*innen wieder ausbauen.
Insbesondere der deutlich gewachsenen Gruppe der ausländischen Frauen, die Bürgergeld beziehen (SGB II), müssen mehr Bildungs- und Qualifizierungsangebote gemacht werden. Zumindest die Förderzahlen des Vorkrisen-Niveaus gilt es wieder zu erreichen.